05 Juni 2006

 

Tal der Wölfe - Kurtlar Vadisi Irak - TUR 2006

OFDB-Link
Genre(s): Abenteuer / Action
Laufzeit: ca. 118 Min.
Alterseinstufung: FSK 18
Bemerkung: Originalfassung (englisch/türkisch/arabisch) mit deutschen Untertiteln

Inhalt:
Im Frühsommer 2003 kommt es im amerikanisch besetzten Nordirak zu einem Zwischenfall unter vermeintlichen Alliierten. Amerikanische Elitetruppen stürmen ein Basislager der türkischen Einsatzkräfte, behandeln die unblutig überwältigten Bundesgenossen wie feindliche Kriegsverbrecher und deportieren alle Gefangenen außer Landes. Mit einigen Vertrauten kehrt der osmanische (Ex-)Geheimagent Polat in den Irak zurück, um eine Wiedergutmachung durchzusetzen...

Kritik:
Anfang des Jahres sorgte der Film ja für grosses Aufsehen. So wurde teilweise ein Verbot gefordert und das FSK-Rating von 16 auf 18 hochgesetzt. Man warf ihm rassistische Tendenzen und Aufstachelung zu antiwestlicher Gewalt vor.
Nun habe ich mir diesen "gefährlichen" Film angesehen, um mir ein eigenes Urteil zu bilden.

Es beginnt mit einer offensichtlich wahren Begebenheit, als eine türkische Militärstation von den Amerikanern durchsucht wird und die türkischen Soldaten gefesselt und mit Säcken über den Köpfen zum Verhör abgeführt werden.
Dies hat, wie man nachlesen kann, verständlicherweise zu großer Empörung in der Türkei geführt, die ja zu den Verbündeten der USA zählt.
Danach beginnt die fiktive Handlung als ein (ehemaliger) türkischer Elitekämpfer und seine beiden Freunde in die Gegend reisen, um den verantwortlichen amerikanischen Befehlshaber zur Rechenschaft zu ziehen.

Im Verlauf des Films folgen etliche Szenen, die die Amerikaner sehr, sehr schlecht aussehen lassen. Problematisch dabei ist, dass es für die meisten Szenen Vorbilder aus der Realität gibt, die wir alle kennen - dazu wird dann aber noch heftig dramatisiert, wie ihr lesen werdet.
So wird eine Hochzeitsgesellschaft, die aus Freude in die Luft schiesst, von amerikanischen Truppen als mögliche Terroristen eingestuft. Die Männer werden abtransportiert, Frauen brutal geschlagen, ein Kind versehentlich erschossen - andere Menschen gezielt.
Reales Vorbild: Die Bombardierung einer Hochzeitsgesellschaft, die in die Luft schoss.

Die Gefangenen werden in einem LKW ins Abu Ghraib Gefängnis gebracht. Um ihnen "Luft zu verschaffen" schiesst ein Amerikaner freudig etliche Salven auf die Wände des LKWs und tötet und verletzt etliche Menschen. Ein US-Soldat, der damit nicht einverstanden ist, wird von ihm ebenfalls erschossen.
Angekommen in Abu Ghraib gibt es deswegen auch gleich Ärger, denn der dort wartende jüdische Arzt (stellt sich später heraus) entnimmt den Gefangenen Organe (gezeigt wird eine Nieren-Entnahme) und schickt sie nach New York, Tel Aviv, London. Und da sage noch einer, die wären nur hinter dem Öl her!

Danach folgen die bekannten Szenen aus Abu Ghraib, wo die unschuldigen Gefangenen nackt auf Haufen gelegt werden und man Allah verspottet, mit Hunden im Hintergrund - das volle Programm.
Auch gegen diese Darstellung kann man natürlich schwerlich Einwände erheben.
Später wird dann ein Dorf durchsucht und die Bewohner wahllos getötet - auch hierfür gibt es jüngst ein reales Vorbild.

Um es abzukürzen, die Amerikaner kommen dermassen schlecht weg, dass mir als Vergleich eigentlich nur Filme über Nazis übrigbleiben. Diese wurden ähnlich hassenswert dargestellt.
Wobei es nicht nur um die Grausamkeiten geht, sondern auch die Hauptfigur des amerikanischen Befehlshabers, der wohl stellvertretend für den "westlichen Kreuzfahrer" steht. Er hat offensichtlich keinerlei Respekt für die Muslime (im Film sind es verschiedene Gruppierungen wie Kurden, Araber und Turkmenen), die er zu seinem Vorteil gegeneinander ausspielt und kleinhält. Er betreibt die Umsiedlung der Menschen, um leichter an die Ölfelder zu kommen. Zum Schluss tötet er ziemlich wahllos was ihm vor die Pistole kommt. Aber jetzt kommts: Er erzählt auch wirre Sachen über seine Auserwähltheit durch Gott und es wird stark betont, dass er Christ ist.
Dies, in Kombination mit dem jüdischen Organarzt, kann man nun wirklich leicht als rassistische Tendenz erkennen, die äusserst plump daherkommt.

Komme ich nun zum "Helden" des Films, dem türkischen Elitekämpfer. Er will eine Wiedergutmachung der anfangs erwähnten Demütigung erreichen und den US-Befehlshaber und seine Männer dazu zwingen mit Säcken über dem Kopf ein Hotel zu verlassen, und von der Presse fotografiert zu werden.
Um das durchzusetzen hat er das Hotel mit Sprengstoff verkabelt und droht mit der Sprengung - eine klar zu erkennende Parallele zum World Trade Center. Es scheitert übrigens daran, dass der US-Befehlshaber einfach einen kurdischen Kinderchor im Hotel aufmarschieren lässt, den der "Held" natürlich nicht durch eine Explosion sterben lassen kann.
Später versuchen sie erneut ein Attentat auf den US-Befehlshaber, was aber wegen eines parallel stattfindenden Selbstmordanschlags misslingt.

Der eigentliche Held und Sympathieträger des Films ist dann auch ein weiser Mann, der Scheich der Gegend, der einen Appell gegen Selbstmordanschläge richtet und einen Journalisten vor der Köpfung rettet. Auch sonst ist er der Gutmensch in Person, der Waisen in seine Familie aufnimmt und von allen Gruppierungen respektiert wird.
Mir schien er wie der Alibi-Held, der das politisch-korrekte predigt, aber schwer zu greifen bleibt. Zu einfach ist seine Hochstilisierung zur moralischen Instanz, die den Koran richtig auslegt, angesichts der vielen "Hassprediger", die in der Realität unterwegs sind.

Im Prinzip ist der Film nicht viel anders als das, was uns seit Jahren und Jahrzehnten aus amerikanischen Billigproduktionen präsentiert wird. Es gibt einen Seite, die klar als böse erkennbar ist (USA/Westen/Kapitalismus). Und es gibt Leute die sich mit moralischer Autorität (der Scheich) oder mit Gewalt (Elitekämpfer, Aufständische) gegen sie wehren. Auch nicht anders, als bei Rambo und Konsorten. Insofern sicher noch kein Grund für all die Aufregung. Denn das hier mal Amis reihenweise abgeballert werden, ist dann nur die logische Konsequenz der umgedrehten Verhältnisse.

Das eigentlich bedenkliche ist sicher der antisemitische Faktor mit dem Organarzt, sowie die antichristliche Komponente durch den fiesen Befehlshaber, der der einzige (bekennende) Christ im Film ist.
Gefährlich ist dabei die Vermischung der tatsächlichen Vorfälle, realer Vorbilder und fiktiver Dramatisierungen durch die Handlung. Eine Trennung fällt dem unbedarften Zuschauer in der Tat schwer, was schon zu einer antiwestlichen Stimmung beitragen kann.

Der Film selber, ohne die politische Komponente, wirkt dann auch wie ein B-Movie. Das Drehbuch ist nicht besonders schlüssig. Oft gibt es starke Brüche - Szenen wie Abu Ghraib haben mit der eigentlichen Handlung nicht viel zu tun. Echte Spannung kommt grösstenteils auch keine auf, nur zum Schluss. Der Mittelteil weist sogar ziemliche Längen auf.
Die Handlungsweise des Elitekämpfers ist auch nicht besonders nachvollziehbar.
Generell bleiben die Charaktere unheimlich platt. Es gibt thrashige Momente, wie zum Beispiel zum Schluss, als mehrere Minuten ein alter Mann vorgestellt wird und man sich fragt warum - bis er sofort danach als einer der ersten von einer amerikanischen Rakete getötet wird.

Die gezeigte Action ist recht nett in Szene gesetzt, reisst einen aber auch nicht vom Hocker. Dass der Film die teuerste türkische Produktion aller Zeiten ist, sieht man ihm in der Form an, dass er recht authentisch rüberkommt, was Szenerie, Soldaten, Waffen und Fahrzeuge betrifft.
Es wird viel englisch gesprochen, nicht nur von den Darstellern der Amerikaner. Für die Rolle des Befehlshabers hat man Billy Zane besetzt, der auch wirklich gut spielt. Gary Busey dagegen als jüdischer Arzt wirkt ziemlich fertig/krank.
Der türkische Elitekämpfer und seine Freunde bleiben relativ farblos. Am besten gefiel mir da noch die zornige Witwe, die ihren Hass gut verkörpert.

Um hier mal zu einem Ende zu kommen: Tal der Wölfe hätte sicher keinen interessiert, wenn er nicht so sehr seine offensichtlichen Schwächen als Film durch teils unverblümt-radikale politische Standpunkte überdecken würde.
Ich persönlich bin in punkto Meinungs- und Kunstfreiheit sehr liberal eingestellt, weshalb ich so einen Film auch nie verbieten würde. Es ist allerdings nachvollziehbar, warum sich so viele Leute darüber aufgeregt haben. Im Endeffekt kann man ihm vorwerfen, dass er mehr oder weniger geschickt Tatsachen nutzt, um Propaganda gegen die USA und den Westen zu verbreiten. Versöhnliche Töne bleiben dabei weitgehend aussen vor. Ein Moslem dürfte den Film wohl mit anderen Augen sehen - als ein Statement gegen die Unterdrückung.
Insofern muss sich jeder selbst ein Urteil bilden. Die vorher vorhandene politische Einstellung dürfte der Film allerdings nicht verändern, insofern erschiene mir ein Verbot übertrieben.

Eine Wertung ist dann auch nicht ganz leicht. Ich lasse mal die politische Komponente aussen vor und beurteile nur den Film, der teilweise einen trashigen B-Movie-Charme entwickelt, eine sehr gute Performance von Billy Zane beinhaltet und auch wegen der teils unterhaltsamen Action von mir eine Wertung von 4 Punkten bekommt.

Screenshots: Billy Zane als amerikanischer Befehlshaber.


Die Abu Ghraib Szene.


Der jüdische Arzt entnimmt einem Gefangenen eine Niere.


Leila (Bergüzar Korel) wird noch am Tag ihrer Hochzeit von den Amerikanern zur Witwe gemacht.


Ein Selbstmordanschlag...


...und seine Folgen.


Leila und der türkische Elitekämpfer Polat Alemdar (Necati Sasmaz).


Der weise Scheich Kerkuki (Ghassan Massoud) inmitten seiner Anhänger, bei einer religiösen Zeremonie.


angeschaut am: 1.06.2006
Normale Wertung: 4 von 10 Punkten



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