08 März 2006

 

München - USA 2005

OFDB-Link
Genre(s): Drama / Thriller
Laufzeit: ca. 164 Min.
Alterseinstufung: FSK 16

Inhalt:
Im Verlauf der Olympischen Sommerspiele 1972 nimmt ein Kommandotrupp der palästinensischen Terrorbrigade Schwarzer September elf israelische Sportler als Geiseln. Einige davon werden sofort ermordet, der Rest und die Entführer sterben im Kugelhagel eines stümperhaft ausgeführten deutschen Befreiungsversuchs. Kurz darauf beauftragt Israels Präsidentin Golda Meir unter strengster Diskretion ein ausgewähltes Quintett von Mossad-Agenten, nach Europa zu reisen und dort diverse Hintermänner und Unterstützer der Tat zu liquidieren.

Kritik:
München kann man sicher unter zwei Gesichtspunkten sehen. Zum einen ist es ein hervorragender Thriller im 70er Jahre Ambiente. Schön mal wieder einen Film zu sehen, wo man die Vorbereitungen für eine Operation und deren Ausführung zu sehen bekommt. Zum anderen ist der Film natürlich hochpolitisch. Er packt ein Thema an, was heute noch viel stärker als damals auf der Tagesordnung steht - den Terrorismus. Aber dazu später mehr.

Es geht primär um Rache für die Ermordung der israelischen Sportler. Das Geiseldrama selber erzählt der Regisseur hierbei in Rückblicken, die auf den ganzen Film verteilt, den detailgenauen Ablauf der Ereignisse zeigen. Die ersten 10 Minuten bestehen dabei aus der Erstürmung der Wohnungen der Sportler und den ersten Toten. Dabei zeigt sich zum einen schon ein extrem realistischer, harter Stil bei der Gewaltdarstellung und zum anderen ist dies ein sehr bewegender Anfang, der einen für das folgende sensibilisiert.

Die Israelis beschliessen die entkommenen Terroristen und Drahtzieher zu eliminieren und beauftragen Avner und seine 4-köpfige Truppe. Diese sollen die Terroristen möglichst öffentlichkeitswirksam beseitigen. Und das tun sie dann im Verlauf des Films auch. Immer wieder gibt es dabei Rückblenden zum Attentat, denn nicht nur der Zuschauer, sondern auch die Rächer haben teilweise moralische Bedenken bei der gezielten Tötung.
Und diese Tötungen werden mit einem selten gesehenen Realismus gezeigt. Genau das finde ich persönlich sehr gut, denn die gezeigte Gewalt soll abschrecken. Denn je weiter man in der Handlung fortschreitet, um so offensichtlicher wird für den Zuschauer und die Rächer, dass ihre Exekutionen nicht wirklich etwas bringen. Genau wie übrigens auch Aktionen auf Seiten der Terroristen. Im Gegenteil - es wird immer stärker eine Eskalation der Rache eingeleitet. Für jeden Ermordeten gibt es willige Nachrücker, die noch härter vorgehen.
Diese politische Message wird uns unaufdringlich näher gebracht. Spielberg bleibt dabei, wie ich finde, sogar relativ objektiv. Er zeigt Verständnis für beide Seiten, verurteilt aber gleichzeitig die Gewalt. Ausserdem schliesst er den Kreis zur Gegenwart, wenn in der Schlusseinstellung im New York der späten 70er die Kamera auf der Skyline verweilt und man die noch stehenden Twin Towers sieht. Eine Evolution des Terrors von 11 Sportlern zu tausenden Toten in den Wolkenkratzern. Und die Evolution der Rache von einem Killerkommando zu einem ausgewachsenen Krieg.

Sicher ein Film, der im Gegensatz zu anderen, nicht unbedingt eine Denkweise auf den Tisch legt, sondern den Zuschauer seine eigenen Schlüsse ziehen lässt.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die starke Behandlung des Familienbegriffs im Film. Die Familie reicht von Avner und seiner Frau, über die fünf Rächer, die französischen Geheimdienstler auf ihrer Familienfarm, bis zu den Israelis. Alleine hier gibt es massig Interpretierungsansätze.

Wie erwähnt setzt Spielberg seine realistische Darstellung von Gewalt, bekannt aus früheren Werken, weiter fort. Die Anschlagsszenen lassen dabei die Herzen von Actionfans höher schlagen. Sie sind super in Szene gesetzt. Eine der krassesten Szenen ist dabei sicher die Ermordung einer holländischen Auftragskillerin, die sehr langsam und ausführlich in Szene gesetzt wird. Aber auch in anderen Szenen sprechen die Mörder mit ihren Opfern, was die heftige Wirkung noch verstärkt.

Schauspielerisch erleben wir auch sehr gute Leistungen von einer internationalen Besetzung, die ebenfalls überaus realistisch wirkt. Viele Charakterköpfe, wenig Schönlinge. Eric Bana als Anführer hat dabei grosse Momente, wenn er z.B. das erste Mal die Stimme seines Babys hört - weit entfernt und längere Zeit nach der Geburt in einem Hotelzimmer - und er weinen muss. Das ist sehr bewegend gespielt und einfach klasse. Auch der zunehmende "Verfall" der Truppe wird gut dargestellt. Das Töten geht ihnen immer leichter von der Hand, aber auch an die Substanz. Zudem werden sie dann auch noch selber gejagt und immer paranoider.
Kameraführung und Soundtrack sind natürlich bei so einem Premium-Film auch hervorragend, wie von Spielberg gewohnt.
Erstaunlich fand ich, dass trotz der langen Laufzeit von knapp 2,5 Stunden keine Längen aufkommen. Die Geschichte bleibt spannend, actionbetont und die nachdenklichen Momente sind geschickt plaziert. Keine leichte Aufgabe.

Kritik möchte ich am Ende üben, als man in einem Zusammenschnitt das Desaster auf dem Flughafen von Fürstenfeldbruck und gleichzeitig Avner sieht, wie er mit seiner Frau schläft. Diese Vermischung von Massensterben und Orgasmus fand ich persönlich unpassend. Wie sicher überhaupt der Schlussteil, wenn Avner nach seinem Auftrag zurück bei seiner Familie in New York Paranoia bekommt, nicht unbedingt hätte sein müssen. Aber angesichts der sonst hervorragenden Inszenierung sehe ich darüber hinweg und gebe 9 von 10 Punkten.
Es leuchtet mir nach dem Ansehen übrigens ein, dass München bei den Oscars leer ausgegangen ist. Der Film ist für die Juroren wohl einfach zu krass und politisch bedenklich.

Screenshots: Der Anfang, als die Terroristen die wehrlosen Sportler überfallen.


Avner und sein Team lernen sich beim gemeinsamen Essen erstmal kennen.


Der erste Auftrag wird noch Angesicht zu Angesicht ausgeführt.


Später setzt man auf Bomben - hier eine Explosion ausgerechnet im "Olympic Hotel".


Auch ihre Reize helfen der holländischen Profikillerin nicht mehr...


angeschaut am: 8.03.2006
Normale Wertung: 9 von 10 Punkten

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